Wie ich wurde, was ich bin

1. Mein Vater gab mir den "ersten Schliff"

 

Manchmal werde ich von Erinnerungen an meine Kindheit eingeholt. Das Erste, das mir dann in den Sinn kommt, ist ein rostiger, alter Meißel. Dieser war ca. 30 cm lang, als ich ihn das erste Mal in die Finger bekam. Ich war damals, 1980, 6 Jahre alt. Wir befanden uns im Keller, der zur Wohnung meiner Eltern gehörte und sich in einem Plattenbau befand, in meiner Heimatstadt Zeitz. Wir, das waren der Meißel, mein Vater und ich.

Mein Vater hatte sich eine Schleifmaschine zugelegt, handbetrieben per Kurbelantrieb. Vordergründig waren es die Funken die beim Schleifen entstanden, die mich motivierten das Gerät einzuweihen. Ich fing jedenfalls buchstäblich Feuer und arbeitete das stählerne Werkzeug auf circa ein Zehntel seiner ursprünglichen Länge herunter. Ich glaube, das Projekt hat mich ungefähr eine Woche in seinen Fängen gehalten. Dann war das stählerne Etwas so kurz, dass ich aufhören musste.

Mit dem Werkstoff Holz hatte mich mein Vater schon eine Weile zuvor in Berührung gebracht. Immer wenn er nicht arbeiten musste, verbrachten wir beim gemeinsamen Werkeln Zeit miteinander. Manchmal durfte ich sogar unbeaufsichtigt agieren.

2. Zum Handwerk gefunden

 

Nach meinem Schulabschluss hatte ich eine Ausbildung zum Bergbautechnologen Geologie/Geophysik bei der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut geplant. Wenn ich heute darüber nachdenke, war diese Idee nur auf das relativ hohe Einkommen orientiert, welches diese sozialistische Aktiengesellschaft (Schmunzeln ist an dieser Stelle erlaubt!) ihren Lehrlingen in Aussicht stellte. Durchdacht hatte ich die Sache nicht. Aber zum Glück hat es auch nicht geklappt.

Weil es im Jahr 1989, dem Jahr der Wende, keine Zukunft für den Uranbergbau in Mitteldeutschland gab und sowieso gerade alles durcheinander kam, wurde mein bereits unterschriebener Ausbildungsvertrag aufgelöst. Ich brauchte nun sehr schnell einen neuen Ausbildungsplatz und landete, ebenfalls mit Hilfe meines Vaters, im Kraftwerksanlagenbau.

3. Stahl, Stahl und nochmals Stahl

 

Nach meiner Ausbildung in Leipzig war ich einige Jahre als Anlagenmechaniker und Schweißer tätig. Die Funken, die sich beim maschinellen Bearbeiten von Stahl nicht vermeiden lassen prägten jetzt meinen Alltag. So spannend wie damals im Keller fand ich sie zu dieser Zeit nicht mehr. Sie waren einfach überall in sehr "hoher Dosis" vorhanden.

Das Material Stahl empfand ich damals als dreckig, schwer und unästhetisch. Beim Bearbeiten kroch einem der Staub in jede Pore und beim Schweißen roch man die giftigen Dämpfe.

Ich erkannte jedoch, dass in diesem Zeug etwas sehr Spannendes steckt. Wie es zum Vorschein kommt, lernte ich jedoch erst Jahre später, indem ich eine zufällige Idee in die Tat umsetzte. Meine erster "skulpturaler Versuch" war offenbar sehr gut gelungen, denn die Arbeit wurde kurz nach ihrer Fertigstellung gestohlen. So etwas motivierte natürlich. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon den Beruf gewechselt.

Heute kann ich aber mit großer Gewissheit sagen, dass die Zeit im Rohrleitungsbau, für meine heutige Tätigkeit von primärer Bedeutung war.

4. Der schweißende Pädagoge

 

Von 2000 bis 2021 war ich im Bereich Kinder- und Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit tätig. Der berufliche Wechsel war im Grunde eine reine Bauchentscheidung, die ich nie bereut habe. Ich hatte von der Farbe Grau, die ich ständig in den Kraftwerken zu sehen bekam und die meinen Charakter zu prägen drohte, die Nase voll.

Um den neuen Beruf ausüben zu können habe ich eine berufsbegleitende Ausbildung zur Fachkraft für soziale Arbeit abgeschlossen. Die Planung und Durchführung von kreativ pädagogischen Projekten gehörte zu meinen Hauptaufgaben.

In dieser Phase meines Lebens kam mein künstlerischer Aktionsdrang, nicht nur in Verbindung mit der neuen Tätigkeit, sondern auch im privaten Bereich immer stärker zum Vorschein. Schweißen war plötzlich eine "sinnvolle Sache".

Bezüglich der verwendeten Materialien habe ich mich nie festgelegt. Noch heute verwendete ich jedoch Stahl, Ton oder Holz zur Herstellung der Hauptelemente meiner Werke.

Nach meinen ersten Versuchen in der skulpturalen Gestaltung, beschäftigte ich mich eine Zeit lang mit der Herstellung von Möbelunikaten. Später wechselte ich endgültig zur Skulptur und Plastik.

5. Das Bekenntnis zur Kunst

 

Im Jahr 2015 habe ich damit begonnen meine Arbeiten öffentlich zu präsentieren und sie zu verkaufen. Seit 2021 wohne ich in Mursewiek-Ummanz und bin seitdem als freischaffender Künstler hauptberuflich tätig. Ich bin Mitglied im Bundesverband bildender Künstler Mecklenburg-Vorpommern. Meistens arbeite ich in einem kleinen Atelier in Mursewiek und in meiner Werkstatt in Gingst auf Rügen.

Meine Skulpturen und Kunstobjekte entstehen fast immer in experimentellen Arbeitsprozessen. Liebevolle Einzelanfertigungen sind die stilprägende Basis meiner Tätigkeit. Thematisch orientiere ich mich an meinen eigenen philosophischen Gedanken oder lasse mich durch gute Literatur, Weltgeschichte und besondere Natur- oder Lebensereignisse inspirieren.

6.Einblicke - Artist Statement

 

Manchmal versuche ich, zu hinterfragen welche Rolle wir Menschen auf dieser Erde und im Universum spielen. Dabei nehmen meine Gedanken zum Teil verschlungenen Wege, mit zahlreichen Kreuzungen und Gabelungen ohne Wegweiser.

Die Courage, die ich benötige, um mich für eine Richtung zu entscheiden, gewinne ich aus der Erarbeitung formgebender Konzepte und deren praktischer Umsetzung. Im Versuch der skulpturalen Darstellung meiner Gedankenverläufe sehe ich die einzige Möglichkeit, den Fragen die mich beschäftigen tief genug auf den Grund zu gehen.

Die Materialien sind dabei die Dirigenten, deren Taktstock ich manchmal gezielt zu ignorieren versuche. Nicht selten muss ich mich jedoch ihren „Anweisungen“ beugen und nehme dies gern in mein Konzept auf.

Dieses binäre Handlungsschema lässt mich entweder Grenzen öffnen oder lehrt mich in Akzeptanz.

Holz und Stahl als Gegenspieler oder Mannschaftskameraden sind mir am liebsten. Die Struktur der Materialoberfläche hat wesentlichen Anteil am Transport der Inhalte meiner Arbeiten zum Betrachter. Aus meiner Sicht ist die (Ober-)Fläche in Bezug auf ihre Ausdruckskraft das Äquivalent zur dreidimensionalen Form.

Ich vermeide komplizierte, an Regeln gebundene, Gestaltungspraktiken um den Aussagen den nötigen Spielraum zu lassen. Dadurch stelle ich den Wert der inhaltlichen über den der ästhetischen Komponente.

7. Ausstellungen (Auswahl)